Betreuungsengpass
Es gibt noch über fünfzig andere Gründe als ein Kind, Vorlesungen nicht zu besuchen. Die gehen von zeitlichen Gründen (Überschneidungen hello), bis hin zu körperlichen Einschränkungen. (Müde, Hunger, kalt) Wen es besonders hart trifft, der darf sich mit beidem herumschlagen, woraus sich ein wunderbarer Teufelskreis ergibt. (Frühe Vorlesung-müde-Öffi verpasst-warten-kalt-kein Frühstück-Hunger-grantig-Sinnkrise-lieber wieder heimgehen)
Mit einem Kind verdoppeln sich diese Faktoren gleich einmal, samt einigen wunderbaren Zusätzen. (Windel voll, Baby krank, Betreuung ausgefallen, Mama-/Papavermissung) Alles noch kein Problem solange wir von Vorlesungen sprechen. Denn das Schöne dabei: Keine Anwesenheitspflicht. Good to have, aber nicht unbedingt notwendig. Je nach Studiengang kommen da aber noch ganz andere Formate dazu.
Und alle diese Kurse, Seminare und Proseminare haben zwei unscheinbare, aber folgenschwere Wörter in ihrer Detailbeschreibung. Das eine lautet „immanenter“, das andere „Prüfungscharakter“ und zusammen ergeben sie den Albtraum eines jeden studierenden Elternteils.
Schauen wir uns das mal genauer an. Im Grunde kann man „immanenter Prüfungscharakter“ nämlich ganz einfach mit „Anwesenheitspflicht“ übersetzen. IN den meisten Lehrveranstaltungen beläuft sich diese auf 75%. Bei neun Einheiten zu je 1,5 Stunden kann man also ganze 3 Einheiten fehlen. Drei Einheiten sind schon mal genug, um das Gröbste abzudecken. Geht es aber um fünf Einheiten zu je vier Stunden, wird das ganze schon schwieriger. Diese eine Einheit, die man hier nämlich fehlen darf, ist meist ganz schnell aufgebraucht. Schauen wir uns das ganze anhand eines Beispiels an:
Ein Biologiekurs, 5 Termine zu je 4 Stunden, fünf Wochen hintereinander. Den ersten Termin kannst du noch ganz normal besuchen. Beim zweiten Termin wird dein Kind krank. Kann passieren, zum Glück kann man ja einmal fehlen. Dummerweise hast du dich bei deinem Kind angesteckt, schleppst dich aber trotzdem zum Kurs. Der Termin vier naht und du bekommst die schöne Nachricht: Die Kinderbetreuung ist krankheitsbedingt geschlossen. Niemand kann zuhause beim Kind bleiben und deine Fehlzeiten sind bereits aufgebraucht.
Es gibt jetzt nicht viele Möglichkeiten (von Kurs-schmeißen abgesehen), aber folgendes kannst du tun:
Nimm Kontakt mit dem/r Leiter/Leiterin der Lehrveranstaltung auf: Das ist die Grundlage von allen Möglichkeiten, die ich hier noch anführe.
Schildere deine Situation und biete ihm/ihr folgende Vorschläge an:
- Kompensationsarbeiten: Es sind zwar 2-3 Seiten zusätzliche Arbeit, aber die lassen sich meist nebenher zuhause erledigen und können im schlimmsten Fall auch während Babys Mittagsschlaf (falls dein Kind zu dieser gesegneten Gattung gehört) geschrieben werden.
- Ersatztermin bei anderen Gruppen: Viele Kurse werden in Gruppen aufgeteilt, für die der Kurs an jeweils anderen Wochentagen stattfindet. In den meisten Fällen ist es möglich die verpasste Einheit bei der anderen Gruppe nachzuholen und somit auf 75% der Anwesenheit zu kommen.
- Ersatztermin im nächsten Semester: wird der Kurs das ganze Studienjahr über abgehalten, kannst du den verpassten Inhalt vielleicht bei einem Termin im folgenden Sommer- oder Wintersemester nachholen. Das macht meistens bei Exkursionen oder Kursen mit verschiedenen Abschnitten Sinn. Deine Note bekommst du allerdings erst in dem Semester, in dem du den verpassten Teil nachgeholt hast.
- Mit Kind zum Kurs: Das klingt wie die einfachste und gleichzeitig wie die unrealistischste Lösung. Machbar ist sie auf jeden Fall, allerdings sind hierbei einige Faktoren entscheidend:
+ dein Kind: Alter, Charakter und Bedürfnisse deines Kindes sollten im Großen und Ganzen zur LV passen. Mag es keine Menschenansammlungen, ist ein voller Seminarraum eher suboptimal, genauso wie ein Baby (vielleicht auch noch in der oralen Phase) einfach nichts im Labor verloren hat.
+ der/die LV-Leiter/in: Wenn du den Kurs schon ein paar mal besucht hast, konntest du dir sicher schon ein Bild von ihm oder ihr machen? Entspannte, humorvolle Lehrpersonen sind meist offen für einen Besuch unseres Nachwuchses und vor allem Familienväter- und Mütter kennen unsere Struggles meist selbst noch gut.
+ die Rahmenbedingungen: Wo findet der Kurs statt? Kommst du dort auch mit Kind gut hin und wo befindet sich das Kind während der LV im Raum.
In meinem Artikel Zwischen Hörsaal und Hochstuhl habe ich einige Tipps für dich zusammengestellt:
- Abolute Kulanz seitens des LV-Leiters: klingt traumhaft, ist es auch, ist aber leider so unwahrscheinlich, dass man nicht damit rechnen sollte. Vor allem, da die LV-Leiter ebenfalls ihre eigenen Auflagen haben. Wenn es dich doch mal trifft: Gratuliere! Lehn dich zurück und spar dir deine Nerven für das nächste Mal!
Diese ersten vier Möglichkeiten kannst du deinem LV-Leiter vorschlagen.
In den meisten Fällen hilft es, wenn du dir im Voraus schon einmal viele Gedanken machst und deine Vorschläge genau erklärst. Hier hast du eine Vorlage, wie das ganze aussehen könnte:
Sehr geehrter Herr XY,
Ich besuche Ihren Kurs Z in der Mittwochsgruppe und habe bereits eine Einheit verpasst. Da die Kinderkrippe meiner Tochter (1 Jahr) in dieser Woche geschlossen bleibt, habe ich leider keine Betreuungsmöglichkeit für meine Tochter. Ich möchte Ihren Kurs unbedingt positiv abschließen und hätte folgende Vorschläge:
……….
Bitte geben Sie mir Bescheid, ob eine dieser Optionen für Sie in Ordnung ist oder ob Sie die Situation anders lösen möchten.
Mit freundlichen Grüßen
Student/in XY
In den meisten Fällen findet ihr gemeinsam eine passende Lösung. Sollte es dabei Probleme geben, kann dir die Studierendenvertretung deiner Uni sicher helfen, einen Weg zu finden.
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